Stadt Solothurn

Staatsanwältin: «Wer mit einem Schraubenzieher in den Kopf sticht, will töten»

Im Kollegium-Fall forderte die Staatsanwältin die Verwahrung des Haupttäters – zum Schutz der Gesellschaft. Der Täter weise eine enorme Rückfallgefahr auf. Die Verteidigerin stützte sich im Plädoyer vor allem auf die fehlende Intelligenz des Täters.

Am zweiten Tag des «Kollegium-Falls» standen vor dem Amtsgericht Solothurn-Lebern die Plädoyers der Anklage und der Verteidigung auf dem Programm. Staatsanwältin Doris Kralj forderte für den 23-jährigen Serben Valon K.*, der dem heute 33-jährigen Polen Ryszard P.* an der Fasnacht 2010 einen Kreuzschraubenzieher mehr als acht Zentimeter in den Kopf gerammt hatte, eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren und die Verwahrung. Gewissenlos, rücksichtslos, unberechenbar, gefährlich. Mit diesen Worten beschrieb die Staatsanwältin den Angeklagten. «Nichts konnte ihn vom Delinquieren abhalten. Weder Therapien noch die Warnungen der Polizei, die ihn nur zwei Wochen vor der Tat einvernommen hatte.» Für den 26-jährigen Serben Bajram C.*, der die Schlägerei angezettelt hatte und wegen einer Vielzahl weiterer Delikte angeklagt war, forderte Kralj eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten.
Bleibende Hirnschäden beim Opfer
Die versuchte, vorsätzliche Tötung ist das schwerste von 24 Verbrechen, die Valon K. vorgeworfen werden. Deshalb beschrieb die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer diesen Tatablauf sehr detailliert und eindrücklich. In einer Nacht voller Aggressionen, in deren Verlauf insgesamt neun Personen straffällig wurden, gab Bajram C. der Freundin des späteren Opfers eine heftige Ohrfeige. Es war bereits der zweite Raufhandel, den der sehr grosse und schwere Mann in dieser Nacht anzettelte. Als Ryszard P. den Schläger zur Rechenschaft stellen wollte, sei er von verschiedenen Beteiligten derart zusammengeschlagen worden, dass er nicht mehr aufstehen konnte.
Bajram C. sei auf dem Opfer gelegen, als sich Valon K. auf ihn stürzte und mit einem Kreuzschraubenzieher zustach, den er extra zu diesem Zweck auf sich führte. «Wegen dieser Vorbereitungshandlung kann man nicht von Affekt sprechen», sagte die Staatsanwältin. «Nur schon die Idee, sich mit einem Schraubenzieher zu bewaffnen, weil dieser bei einer Polizeikontrolle kein Problem darstellt, zeigt die kriminelle Energie. Und wer einem Menschen mit einem Kreuzschraubenzieher zweimal mit aller Wucht in den Kopf sticht, der will töten.» Und Ryszard P. wäre ja tatsächlich beinahe an den Verletzungen gestorben. Er muss nun mit bleibenden Hirnschäden leben. So forderte die Staatsanwältin eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren und die Verwahrung, weil man die Gesellschaft vor Valon K. schützen müsse. «Die sehr schwere psychische Störung und die enorme Rückfallgefahr kann durch die Strafe alleine nicht gemindert werden», sagte Doris Kralj, «es ist schon alles versucht worden, leider ohne Erfolg.»
Ist er ein Neunjähriger?
Die Verteidigerin stützte sich in ihrem Plädoyer auf die im psychiatrischen Gutachten festgehaltene verminderte Intelligenz von Valon K. (IQ zwischen 58 und 68): «Er ist in seiner Entwicklung auf der Stufe eines 9- bis 12-jährigen Kindes», sagte Eveline Roos, «er war intellektuell gar nicht imstande, die Folgen seiner Tat zu erkennen.» Sie plädierte deshalb nur auf schwere Körperverletzung und eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten. Dies mit den Worten: «Kann ein Neunjähriger wissen, dass ein Stich mit einem Schraubenzieher den Tod zur Folge haben kann?»
Auch die Gewaltdelikte des Nebenangeklagten Bajram C. beschrieb die Staatsanwältin als verwerflich und feige. Für ihn forderte sie eine Freiheitsstrafe von 45 Monaten. Der Verteidiger fand, eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten mit bedingtem Vollzug sei angemessen.
Tränen beim letzten Wort
Beide Angeklagten nahmen ihr Recht auf das letzte Wort wahr. Während die oberflächliche Entschuldigung von Valon K. keine Wirkung zeigte, brachte Bajram C. mit seinen Worten die im Gerichtssaal anwesende Mutter des Opfers zum Weinen: «Wenn ich manchmal keine Antwort weiss, ist das nicht, weil ich zurückgeblieben bin. Ich schäme mich unendlich für meine Vergangenheit und hasse mich dafür. Es tut mir leid, was die Eltern durchmachen müssen. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht daran denke und wünsche, dass es Ryszard wieder bes

Autor

az Solothurner Zeitung

Kategorie

  • Stadt Solothurn

Publiziert am

24.04.2013

Webcode

www.sogenda.ch/q5DVfG

Die Publikation dieser Anzeige wird ermöglicht durch: